Heute der Letzte Teil vom Oberhof Bericht mit Eindrücken zu sämtlichen gespielten Neuheiten:
Crazy Lab
Jeder Spieler bekommt eine “Ärgerfarbe” zugelost. Es gilt Stiche bzw. Karte in dieser Farbe zu vermeiden. Außerdem legt jeder verdeckt eine Karte, welche die Plusfarbe vorgibt. Hier will man Stiche/Karten gewinnen. Jede Karte besitzt mehrere Farben mit unterschiedlichen Werten. Die Trumpffarbe wechselt nach jedem Stich, so lassen sich zwar Überlegungen anstellen, das Chaos regiert allerdings trotzdem. Stichspiele gibt es wie Sand am Meer und es braucht wirklich eine außergewöhnliche Idee, um damit heute noch aufzufallen. Ich hatte jetzt schwerste Probleme, mich an die Regeln und an das Erlebte überhaupt noch zu erinnern, dabei ist Oberhof erst 3 Wochen her... kein gutes Zeichen, aber es drückt aus, wofür Crazy Lab steht: für ein überflüssiges Stichspiel.
Die Paläste von Carrara
Hans im Glück, das stand stets für gehobene Spielkultur mit doch recht einfachem Zugang. Auffälligstes Element bei Carrara ist das “Preisrad”. Es spart Verwaltung und gibt immer an, wie teuer welche Bausteinfarbe ist. Nach jedem Weiterdrehen verbilligt sich jede Farbe um 1. Dann kann schonmal der ein oder andere Stein umsonst rausspringen, so ihn noch niemand vorher genommen hat. Die Steine sammelt man, um Gebäude zu bauen. Die Gebäude erfordern 1-5 Steine. Neue Gebäude legt man an seine Tafel an, wobei Plätze mit hohem Ertrag (Punkte/Geld) mit wertvollen Steinfarben bezahlt werden. Wichtiges Element sind die Wertungen - dabei wertet man immer gleiche Gebäudetypen zugleich. Es gilt also optimalerweise erst gleiche Gebäudetypen zu bauen und dann zu werten, was aber nicht immer geht, wenn das Geld knapp wird. Als weitere “Währung” erhält man beim Bau bestimmt geformte Teile, die bei Spielende noch Punkte geben. Was nach jetzt viel Beschreibung klingt, entpuppt sich an eine erstaunlich leicht zugängliche Angelegenheit. Die Züge gehen schnell und einfach und es zerreißt einen sehr oft am Zug: soll ich nochmal Steine nehmen, oder gleich bauen, bevor das Gebäude schon weg ist oder die Steine noch billiger weg gehen. Alles ist sehr gefällig und handwerklich ohne Schnörkel komponiert, aber die Abläufe sind etwas zu simpel und die taktischen Möglichkeiten in eng abgestecktem Rahmen. Aber einen Gimmick hat man sich auch einfallen lassen: nach 2 Partien darf man einen Umschlag mit Erweiterungsregeln öffnen. Das hat man sich wohl bei Risiko Evolution abgeschaut. In der Grundversion also ein Spiel ohne Ecken und Kanten, der es aber an Spieltiefe fehlt. Möglicherweise schafft die Erweiterung Abhilfe.
Rialto
Spiele mit Venedigthema waren eine Zeitlang sehr in Mode. Doch es ist still geworden in Venedig. Rialto belebt das Thema von Neuem. Wir haben die bekannten Stadtteile, eine Dogenleiste, Gebäude und viele Karten. Vor jeder Runde nimmt man sich eine Reihe der ausliegenden Karten, erhält noch welche vom Stapel hinzu. Mit denen bestreitet man seine gesamte Runde - 6 Runden bis zum Ende. Die Karten werden nach ihrer Art in einer festen Reihenfolge ausgelegt. Manche Karten erlauben Gebäudekauf, Punkte, Platzierung eigener Pöppel in einem aktuellen Stadtteil usw. Wer bei einer Kartenart die meisten auslegt, erhält einen Bonus. Bei Gleichstand ist die Spielreihenfolge (= Dogenleiste) sehr wichtig. Am Ende gibt es Punkte in den Bezirken nach Mehrheiten der Pöppel - bevor jetzt jemand gähnt, nein das ist nicht langweilig. Das ist fordernd und planbar. Aktivierungen von Gebäuden erlauben Zusatz- oder bessere Aktionen.
Rialto verzeiht nur schwer Fehler, aber man hat durchaus Möglichkeiten Schwächen in bestimmten Bereichen auszugleichen. Je größer die Runde, umso schwerer ist es, den Bonus abzugreifen - das kann frusten und muss man verdauen können. Rialto ist eben keine zarte Pflanze. Warum man allerdings an die Grafik einen Künstler und keinen Spieleillustrator gesetzt hat, entzieht sich meiner Kenntnis (ich sage nur: Punktleiste).
Noblemen
Wir erweitern unsere Auslage (Plättchen), bauen Burgen und Kirchen und versuchen bei den Wertungen möglichst viele Punkte zu ergattern.
Noblemen weist gleich mehrere innovative Ideen und Besonderheiten auf: die Sichtschirme bieten Platz für besondere Adelsprotraits, die sich schick ins Gesamtbild der Schirme einfügt. Die Adligen sind gekoppelt an eine besondere Leiste, nach der die Adligen von Zeit zu Zeit vergeben werden - diese bringen Punkte und Geldeinkommen, wird allerdings nach jeder Neuvergabe zurück gesetzt. Die Zeitleiste mit dem Wechsel der “dicken” Königin und der damit verbundenen besonderen Ereignisse - das kann oft sehr schnell gehen und so kann das Spielende auch überraschend eintreten.
Die einzelnen Aktionen sind zwar auf der Rückseite der Sichtschirme akribisch erklärt, allerdings wirft die Zeichenerklärung doch einige Fragen auf. Dazu sind die Einkünfte und Aktionen auf keinen Fall intuitiv. Man muss das Regelwerk komplett auswendig lernen und ständig die Erklärungen bemühen. Das nimmt vor allem der Erstpartie deutlich den Spaß und die Lust weitere Partien folgen zu lassen, so auch bei mir, wodurch mir (und anderen, denen es ähnlich geht) ein möglicherweise sehr gutes Spiel verschlossen bleibt. Heutzutage müssen eben Spiele sofort zünden, oder die zünden gar nicht - zu groß ist die Konkurrenz. Wen das nicht schreckt, der kann sich das Spiel gerne näher anschauen. Ich für meinen Teil habe genug gesehen.
Stille Post Extrem
Save the best for Last... könnte man sagen: Ein sehr einfaches Spielprinzip. Jeder Spieler bekommt einen Begriff, den er dann seinen linken Nachbarn zeichnen lässt. Der nächste linke Nachbar versucht das Gezeichnete zu benennen, und so weiter. Das geschieht parallel und so lange, bis man seinen eigenen Block wieder erhält. Selten war es bei einem Spiel so unwichtig wofür es Punkte gibt. Hier macht es einfach unbändigen Spaß einfach die ganzen Begriffe und Zeichnungen offenzulegen. Das Gelächter ist groß und noch Wochen später erinnert man sich an diverse Begriffe und Zeichendetails - herrlich. Allerdings sollte man schon mindestens zu sechst sein und wenn man oft spielt für Ersatzstifte sorgen. Für mich ein heißer Anwärter auf den roten Pöppel.
Terra Mystica
Neben Tzolk’in ist Terra Mystica allenorts das höchst gehandelte Vielspielerspiel der Messe Essen 2012. Ich muss allerdings sagen, dass für mich Terra Mystica deutlichst vorne liegt:
Nach Wahl einer von 14 Rassen, die allesamt über kleine oder größere Besonderheiten verfügen, ziehen wir durch die 6 Spielrunden und versuchen die meisten Punkte zu bekommen. In jeder Runde führen die Spieler so lange Aktionen durch, bis sie keine Aktionsmöglichkeiten mehr habe, oder passen wollen, um sich mehr für die Folgerunde aufzusparen. Die Zeichenerklärung auf dem persönlichen Tableau ist absolut vorbildlich und selbsterklärend. Alle Einkünfte und Aktionsmöglichkeiten sind durch die Gebäude abgedeckt und werden sichtbar, sobald man die Gebäude auf dem Spielplan stehen hat. Das ist natürlich eines der obersten Ziele, da sich so das Einkommen drastisch erhöht. Problem ist das Aufwerten der Gebäude, denn dadurch kommen die zuvor gebauten Teile zurück auf’s Tableau und schmälern die Einkünfte wieder. Dieses Dilemma und natürlich das immer alles zugleich machen wollen sorgen für immensen Spielspaß. Durch die Vielzahl der Rassen gibt es unglaublich viel zu entdecken. Hier hat der Verlag großes geleistet, obwohl ich noch kaum abschätzen kann, inwiefern alles austariert ist. Manche Rassen erfordern eine gewisse Spielerfahrung und andere sind für Anfänger besser zu empfehlen. Aber nicht allein die vielen Rassen sorgen für sehr unterschiedliche Partien, selbst die Sitzreihenfolge kann eine Partie verändern. Gutes Abschätzen aller Möglichkeiten von sich selbst und der Mitspieler sorgen für ein gutes Abschneiden.
Aber selten hat mir auch das Mitspielen - nicht das Gewinnen solch großen Spaß gemacht. Wenn dann langsam nach der dritten Partie das Gefühl für die sinnvollsten Aktionen aufkommt, dann ist man spätestens Terra Mystica verfallen... Ganz großes Spielerlebnis!
Eine neue Kinokritik zu Paradies: Glaube gibt's hier
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